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Redebeitrag zu „100 Jahre sind genug!“ – Demo gegen Abschiebehaft

am 11.05.2019 in Dresden

Es ist ein trauriger Jahrestag, auf den wir heute hier aufmerksam machen müssen. Traurig, weil wir heute nicht weiter sind, als in den 20er Jahren der Weimarer Republik – als die Abschiebehaft als ein Mittel zur Abschreckung eingeführt wurde, damals vor allem gegenüber Jüdinnen und Juden aus Osteuropa. Traurig, weil durch Abschiebehafteinrichtung auch heute noch Menschenrechte massiv verletzt werden. Und weil wir heute auch in Dresden mit einer Abschiebehaftanstalt konfrontiert sind. 

Darauf müssen wir aufmerksam machen. Dagegen müssen wir uns wehren, denn das ist ein Angriff auf die Freiheitsrechte aller. Deswegen bin ich allen dankbar, die diese Demo organisiert haben und den zahlreichen Demonstrierenden, die heute hier sind!

Wir GRÜNE sagen ganz klar, dass bei der Abschiebung auf das Mittel der Haft verzichtet werden muss. Eine Abschiebung ist für die Betroffenen purer Stress und mit großer Ungewissheit verbunden. Haft ist ein erheblicher Eingriff in die Freiheitsrechte, der enorme psychische und physische Auswirkungen hat. Im Ausreisegewahrsam und in der Abschiebungshaft kommt das alles zusammen. Das macht krank, verstärkt die Verzweiflung und erhöht die Suizidgefahr. Deshalb wollen wir so wenige Eingriffe wie möglich beim Vollzug der Abschiebung, die gesetzlich klar definiert sein müssen!

Menschen, die keine Straftat begangen haben, dürfen nicht wie Kriminelle behandelt werden!

Dennoch hat der Freistaat Sachsen im Dezember 2018 eine Abschiebehaftanstalt in Dresden in Betrieb genommen. Bis zu 58 Ausreisepflichtige können 18 Monate in Haft oder 10 Tage in Ausreisegewahrsam genommen werden, wenn die Abschiebung kurz bevorsteht. Im Februar und März diesen Jahres saßen 38 Personen in Haft.

Auf Bundesebene arbeitet Horst Seehofer an einem Gesetz, das für eine – wie er es nennt – „geordnete Rückkehr“ sorgen soll. Der CSU-Innenminister will darin die Abschiebehaft zur Regel machen. Er lässt dabei verfassungs- und europarechtliche Bedenken sowie Gerichtsentscheidungen des Europäischen Gerichtshofes „links“ liegen. Der CDU-Innenminster Wöller ist leider wieder einmal mit im Boot und unterstützt das Vorhaben!

Welche Ausweglosigkeit eine solche Inhaftierung für die Betroffenen mit sich bringt, das können wir bereits jetzt sehen: Bereits einen Monat nach Inbetriebnahme gab es einen Hungerstreikenden, der so gegen die Trennung von seiner Familie protestierte. Das zeigt einmal mehr, es geht hier nicht nur um Asylverfahren, sondern um Menschen.

Wir dürfen auch diejenigen nicht vergessen, die auf unseren Schutz am meisten angewiesen sind: Kinder, die abgeschoben werden sollen oder deren Eltern vor einer Abschiebung stehen.

Ich habe mich in den letzten Jahren im Stadtrat dafür eingesetzt, dass das Kindeswohl auch in dieser Frage verteidigt wird. Denn unsere Stadt ist per Gesetz dazu verpflichtet, alle Kinder in unserer Stadt zu schützen. Ich bin überzeugt, dass wir hier nicht wegschauen dürfen, sondern dass wir den Freistaat in die Pflicht nehmen müssen, das Kindeswohl bei Abschiebungen sicherzustellen. Einen kleinen Erfolg konnten wir im Jugendhilfeausschuss der Stadt erzielen: Wir haben beschlossen:

  • dass Familien nicht nachts abgeschoben werden;
  • dass Kinder und Jugendliche nicht aus Schulen und Kitas abgeholt werden;
  • dass Familien nicht durch eine Abschiebung getrennt werden sollen;
  • dass Flüchtlingssozialarbeiter*innen das Jugendamt über Abschiebefristen, die das Kindeswohl gefährden können, informieren sollen.

Wir haben viel zu verteidigen. Und das darf nicht nur im politischen Raum verhandelt werden. Deshalb möchte ich der Abschiebehaftkontaktgruppe für Ihre Arbeit danken: Ihr verteidigt die Rechte der Menschen, die in Abschiebehaft sitzen müssen. Ihr unterstützt und beratet sie. Ihr lasst sie nicht allein. Eure ehrenamtliche Arbeit ist schwer, denn ihr müsst immer wieder gegen die Mauern der Landesdirektion ankämpfen. Oft ist es ein Wettlauf mit der Zeit. Eine offizielle kostenlose Rechtsberatung in der Einrichtung gibt es nicht! Obwohl das das Mindeste wäre, um die Rechte der Menschen zu wahren. 

Lasst uns gemeinsam weiter dafür kämpfen, dass Abschiebehaft bald Geschichte ist!

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